Vorsicht, Wellness!

Zwar harmonieren Schwangerschaften und Jahrhundertsommeranwärter schon per se nicht besonders miteinander, aber es muss erst ein Wellnesswochenende des Weges kommen, um der pränatalen Erschöpfung noch die Prinzessinnenkrone aufzusetzen. Von der schier uferlosen Erholung, die solche, gerne mit Freundinnen verbrachten Kurzeisen ins benachbarte Ausland in Hochglanzprospekten oder auf Parallax geschwängerten Webseiten versprechen, fehlt indes jede Spur.

Es ist halt so: Als biologisch nicht mehr so ganz taufrische, angehende Zweifachmama (von Jungs, wohlgemerkt!) wacht man vielleicht eines nachts schweißgebadet mit der Erkenntnis auf, dass der Traum vom Durchschlafen schon in kurzer Zeit endgültig ausgeträumt sein wird. Hungrige Säuglinge werden zu schubsenden und tretenden Kleinkindern und wenn die dann endlich aus dem Gröbsten heraus sind, wartet die senile Bettflucht bereits auf ihren unermüdlichen Einsatz. Schnell bäumen sich Körper und Geist der Betroffenen ein letztes Mal auf und treffen eine folgenschwere Entscheidung: Ein Wellness-Urlaub muss her, bevor es zu spät ist.

Schnell wird eine der vielen, in den Bookmarks schon vor sich hin staubenden Wellness-Oasen als Ziel identifiziert, eine liebe Freundin als Begleitung in die Pflicht genommen und dem liebenden Ehemann und Kindsvater die 24/7-Bespaßung des Kleinkindes aufs Auge gedrückt. Und da der Erholungseffekt möglichst schon bei der Anreise einsetzen sollen, wir die Bahn zum Fortbewegungsmittel der Wahl. Gesagt, gebucht: Ein hübsches Design-Zimmer, eine Verwöhnpauschale und ein, zwei Beauty-Anwendungen, um den geschundenen Körper wieder ein bisschen aufzupolieren.

Da die freitägliche Anreise berufstätiger Frauen erst in den Abendstunden vollendet werden kann, das Hotel aber mahnt, dass wer um 20:30 Uhr nicht am Tisch sitzt, hungrig ins Bett gehen muss, fragen wir gleich den auf der Webseite offerierten Shuttle-Service zwischen Bahnhof und Hotel an. Die Antwort folgt auf dem Fuße:„Wir bieten leider keinen Shuttel (sic!) Dienst vom Hotel aus an.“ Nun ja. Kann ja mal passieren, dass man im Übereifer irgendwas auf eine Webseite schreibt, was man eigentlich gar nicht so gemeint hat. Und wir werden unseren Weg zum üppig gefüllten Abendbrottisch schon rechtzeitig finden.

Von Tag zu Tag wächst die Vorfreude ins schier Unermessliche. Doch kurz bevor ich die Boden unter den Füßen gänzlich verliere, wartet das Hotel mit der nächsten kleinen Überraschung auf: „Leider musste unsere Kosmetiker (sic!) Steffi ins Krankenhaus und fällt bis auf weiteres aus. Wir haben Ihre Termine somit leider stornieren müssen.“ Nun ja. Kann ja mal passieren, dass so ein gar nicht so kleines Wellnesshotel bei spontaner Krankheit einer Kosmetikerin völlig alternativlos ist. Kein Grund für schlechte Stimmung, schließlich gibt es ja noch das neue gestaltete Gletscher-Spa und die liebe Freundin, die abwechselnd für gute Stimmung sorgen werden.

Der Tag der Anreise ist gekommen und bis auf eine kleine 20-minütige Verspätung klappt alles wunderbar. Gemeinsam besteigen wir ein Taxi, das uns flugs ins (kurvenreiche) Brandertal hinaufbringen soll. Der Taxifahrer kennt die Strecke. Daher nutzt er die gewonnene Zeit für die ausgiebige Lektüre eines Gebührenverzeichnisses und für zahlreiche, darauf basierende geschäftliche Telefonate – alle handgewählt, versteht sich. Der schwangeren Frau auf dem Rücksitz wird von der Kombination aus kurvenreich und sorglos ein bisschen schlecht, aber die Aussicht auf das mehrgängige Abendessen macht das alles wieder wett.

Kurz vor 20:30 Uhr betreten wir das Hotel und nach dem CheckIn auch gleich das sehr hübsche und sehr stylische Restaurant. Alles richtig gemacht, denken wir uns, bis wir an unserem Platz sitzen. Durch einen Glücksgriff haben wir den wohl stickigsten Tisch im ganzen Restaurant erwischt, aber das sind Details. Auf dem Tisch erwartet uns schon die Speisekarte – mit King Prawns als Vorspeise und Roast-Beef als Hauptgericht. Klingt erstmal nicht schlecht, blöd nur, dass wir vegetarisches Essen gebucht haben und dies auch freundlich bestätigt bekamen. „Danke für die Information, dass Sie 2x VEGETARSICHE (sic!) ERNÄHRUNG benötigen. Sehr gerne hat unser Küchenteam ein Menü nach Ihren Bedürfnissen zusammengestellt. An Ihrem Tisch finden Sie abends immer ein individuelles Menü für Sie – mit 2 Hauptspeisen zur Auswahl.“

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Als wir den Kellner über dieses kleine Missgeschick aufklären, ist er wie vom Donner gerührt. Wo wir denn wegen der vegetarischen Ernährung Bescheid gesagt hätten, will er wissen. Wir klären ihn auf, aber so richtig beeindruckt ist er nicht. Stattdessen erklärt er uns – nach einer Rückfrage in der Küche – dass wir das Menü wie beschrieben – nur ohne King Prawns – bekommen können und dass er uns als Hauptgericht Penne all’arrabbiata anbieten könne. Ein wirklich adäquater Ersatz für ein Menü mit King Prawns und Roastbeef, denn am Preis ändert das kulinarische Downgrade natürlich nichts. Als ich frech nach der versprochenen zweiten Alternative frage, sagt er, dass es die an diesem Abend nicht gäbe, da es sich um das Galamenü handle (klar,oder?), dass ich aber am Folgetag auf jeden Fall alternativ noch einen Fisch aussuchen könne. Zum hundertsten Mal muss ich erklären, dass Vegetarier keine Tiere essen – egal ob sie Lungen haben oder Kiemen. Und heimlich verfluche ich all die „Vegetarier“, die eben genau bei Fisch aus mir unerklärlichen Gründen eine Ausnahme machen, ohne den Fehler zu finden. Wir einigen uns darauf, dass ich am nächsten Abend GARANTIERT zwischen zwei Optionen wählen kann und ich erhalte einen Cappuccino auf Kosten des Hauses als Schmerzens- oder Schweigegeld.

Die Nacht in unserem spartanisch schönen und kühlen Steinzimmer bringt von dem gewünschten Tiefschlaf zu wenig, denn nach der Aufregung und dem späten Koffeinschock kann ich nur schwer einschlafen. Aber immerhin gibt niemand mitten in der Nacht eine Milchbestellung bei mir auf oder streckt mir seine Füße ins Gesicht.

Am nächsten Morgen wagen wir es, nach einer ausgiebigen Stärkung am üppigen Frühstücksbuffet, das bisher Geschehene in eine Beschwerde zu gießen und diese sehr freundlich, aber auch sehr bestimmt beim Hotelpersonal vorzubringen. Verständnis, so weit das Auge reicht. Nicht nur, dass uns ein weniger stickiger Tisch zugesagt wird, wir bekommen auch noch mal bestätigt, dass die Küche über unsere (wohl wirklich sehr außergewöhnlichen) Essenwünsche informiert ist und wir am Abend auf jeden Fall zwischen zwei Hauptgerichten würden wählen können. Ein Fruchtcocktail aufs Haus werde uns sicher über die bisherigen Unannehmlichkeiten hinwegtrösten, nimmt man an.

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Wir sparen uns dieses Goodie für später auf und stürzen uns erstmal in den wirklich sehr kuscheligen Bademänteln in den wirklich sehr schönen Spa-Bereich. Der Pool und ich, das ist Liebe und zwar auf Anhieb. Eine ayurvedische Beinmassage bei einem bezaubernden ungarischen BWLr-Tennislehrer-Masseur stimmt mich zusätzlich milde. Die alkoholfreien Pina Coladas, die uns das Haus schenkt sind lecker und wir sind so entzückt, dass wir gleich eine weitere Runde Cocktails kommen lassen. Einen alkoholfreien Mojito für mich, einen Spezial-Mojito-Cocktail mit Mango und Bombay Saphire Gin für die liebe Freundin. Man weiß nicht so recht, was mit der Bestellung zwischen der aufnehmenden und der ausführenden Instanz passiert ist, jedenfalls bekommen wir zwei Caipirinhas, einen mit Cachaça und einen mit Bombay Saphire. Völlig klar, dass man in der Schwangerschaft zu den extra harten Sachen greift. Wir korrigieren das kleine Versehen des Barkeepers und betonen erneut, dass wir eigentlich einen Virgin Mojito bestellt haben. Der Herr verschwindet hinter der Bar und bringt ein Mixgetränk aus Tonic, Limetten und Zucker. Minze sei leider aus, ebenso das vorgesehene Ginger Ale. Dasselbe gelte übrigens für den Mangosaft, der in den Cocktail der lieben Freundin gehört hätte. Aber nun ja. Das kann ja mal passieren. (Dass am Ende zwei alkoholhaltige Cocktails auf der Rechnung auftauchten, das natürlich auch.)

Frisch gestriegelt und gespornt begeben wir uns am Abend zugleich hoffnungsvoll und ängstlich ins Restaurant. Das mit dem Tischtausch hat funktioniert – sehr zu unserer Freude haben wir einen luftigen Fensterplatz bekommen, die Zeichen stehen gut! Dass wir auf dem Tisch erneut ein nicht vegetarisches Menü vorfinden ist sicher ein Versehen, das sich gleich aufklären wird. Immerhin hatten wir uns hierzu ja nun bereits durch die Instanzen geklagt. Neuer Kellner, neues Glück, denken wir uns. Der macht sich auch gleich auf, um uns – wie selbstverständlich – ein vegetarisches Menü zu organisieren, kommt aber mit genau so leeren Händen zurück wie sein Vorkellner am Vorabend. Ich könne wählen zwischen (na, los!) Penne all’arrabbiata und Perlhuhnbrust. Ich beiße in die Tischkante und sage ihm, dass man mir erstens versprochen habe, dass es für mich zwei (vegetarische) Hauptgerichte zur Auswahl gäbe und dass ich mich zweitens weigern würde, schon wieder Penne all’arrabbiata als Hauptgericht zu essen. Er klärt mich auf, dass da wohl die Rezeption missverständlich kommuniziert habe, da bei den zwei Gerichten zur Auswahl natürlich immer nur das eine vegetarisch sei. (Zur Rekapitulation: „Danke für die Information, dass Sie 2x VEGETARSICHE (*sic*!) ERNÄHRUNG benötigen. Sehr gerne hat unser Küchenteam ein Menü nach Ihren Bedürfnissen zusammengestellt. An Ihrem Tisch finden Sie abends immer ein individuelles Menü für Sie – mit 2 Hauptspeisen zur Auswahl.“) Er galoppiert in die Küche und kommt mit dem Vorschlag „gebackener Camembert mit Preiselbeeren“ zurück, den ich wegen meiner schwangerschaftsbedingten Camembert-Verweigerung erneut ablehnen muss. Mit „Sellerieschnitzel mit Polenta“ startet er einen letzten verzweifelten Versuch, den ich dann – ebenso verzweifelt – durchwinke. Von der viel gepriesenen Kulinarik kann jedoch keine Rede sein. Selbst die frische Kresse macht das nicht wett.

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Die liebe Freundin und ich sind angesichts so vieler Versehen wirklich ratlos. Wir haben bis zuletzt gehofft, dass es dem Hotelteam gelingen würde, das Ruder noch einmal herum zu reißen. Am nächsten Tag reisen wir leicht resigniert ab, wissend, dass das wohl unser erster und letzter Besuch dort war. Wie schade eigentlich! Das wirklich wunderschön hergerichtete Hotel konnte drei von vier seiner Leistungsversprechen (100 % Kreativität, 100 % zuhause fühlen, 100% Leidenschaft & 0% steriles 08/15 Design) nicht erfüllen, obwohl das wirklich gar nicht so schwer gewesen wäre. Der Shuttel-Service ist inzwischen von der Webseite verschwunden, aber ich fürchte, das reicht nicht.

Bleiben Sie dran und erfahren Sie morgen, wie die Deutsche Bahn auch noch den letzten Funken Erholung ausradiert hat.

 

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