Stadt-Blumen: London

Meine Erweckung hatte ich eigentlich erst sehr spät. Während die „coolen“ Kinder London schon auf diverse Arten bereist hatten, hielt sich mein Interesse für alles was „very British“ war in klaren Grenzen. Heute denke ich, dass es an Margaret Thatcher lag. Und am Porridge. Beides war mir suspekt und ist es heute noch.

Das erste Mal musste ich hin. Mit einer Mission bewaffnet startete ich meinen Trip in die Inselhauptstadt. Die Mission liess ich da. Mit zurück brachte ich nicht viel mehr als die Erinnerung an ein Office von innen (überall standen Schuhe rum), an den zweifelhaften Geschmack des Bieres und an den alten Bekannten, der mir im Heathrow Express auf einmal gegenüber saß. London. Fein. Aber sonst? Eine Stadt wie jede andere, nur dass das Leben sich links rum bewegt.

Dann wurde der Sonnenschein englandverschickt. Und weil man auf Beziehungen aufpassen muss, wenn sie einem schon mal zulaufen, pilgerte ich ein halbes Jahr lang alle paar Wochen an die Themse. Und entdeckte, dass man dort eine Menge entdecken konnte.

London ist riesig. Und groß. Durch die kleinen Lücken im meist bewölkten Himmel kann man die Größe und Pracht der Stadt schon beim wackligen Landeanflug bestaunen. Man wird wachgerüttelt, damit man ganz genau hinschaut. Big Ben. London Eye. Buckingham Palace. Das Willkommensprotzen haben die Londoner wirklich drauf.

Und wenn man erstmal unten ist, dann ist man auch schon mittendrin. In der Tube in Richtung Notting Hill, weil es da so hübsch hübsch ist. Und dann zum Shoppen in die High Street Kensington oder an schrägen Tagen auf den Camden Market. Und an jeder Ecke darf man sich mit Köstlichkeiten aus aller Herren Länder vollstopfen. Und aus Indien. Und Pakistan. Das Geld rennt durch die Aggregatszustände: Erst in der Hand festgeklammert, rinnt es durch die Finger bis es sich vollständig in der Luft verflüchtigt. Und am Ende ist Harrods an allem schuld.

Ist doch klar, dass man in einer solchen Stadt irgendwie anders werden muss. Sonst lutscht sie einen weg. Man wird darum wie der homo londoniensis.

Über das Weibchen lässt sich sagen, dass es – sofern nicht in der Modelbranche tätig oder aus sonstigen Gründen anorektisch veranlagt – gerne Bauch trägt. Dies auf den allabendlich zelebrierten Bierkonsum zurückzuführen erscheint mir an dieser Stelle am einfachsten. Was in Deutschland unter Komasaufen abgeurteilt wird, gehört in UK zur gesellschaftliche Früherziehung, sodass die jungen Erwachsenen es auch schon ohne Koma hinbekommen.

Tagsüber hüllt sich das arbeitende Weibchen in edle Business-Outfits – gerne mit Rock – und versteckt die Entgleisungen des Vorabends unter einem perfekten Make-Up. Abends gilt die Devise: Weniger ist mehr. Es ist erstaunlich, wie viel Mensch man in wenig Stoff hineinstopfen kann. Interessant ist, dass die Garderobe von der Jahreszeit absolut unabhängig ist. An besonders frischen Abenden werden Minirock und Tanktop allenfalls von einem Mützchen und ein paar (fingerlosen!) Handschuhe begleitet. Der auf Mamas Empfehlung hin bis über die Ohren eingemummelte Resteuropäer wird unter diesen Umständen gerne als Sonderling eingeordnet.

Das nicht-bankende Männchen ist entweder klapperdürr, unfrisiert und schlecht angezogen oder schwulstig, tätowiert und Fussballfan. Die Banker sind genau so schleimig wie überall auf der Welt. Nur auf eine britischere Art. Und laut sind sie alle, wenn man die Leisen rausnimmt.

Der gemeine Londoner ernährt sich von pseudo-gesunden Sandwiches und allerlei anderem Convenience-Food, er geht ausschließlich bei rot über dir Straße, liest in der Tube kostenlose Zeitungen und kauft bei Top-Shop unmögliche verlodderte Wochenend- und Freizeitoutfits, die dann in der InStyle als IT-Look belobhudelt werden. Hier werden die Trends gesettet – je schriller desto besser.

London kann einen mit seiner Üppigkeit an Eindrücken echt umhauen. London ist die rubeneskeste der Städte. Nur den Strand, den hatte ich mir irgendwie hübscher vorgestellt.

Stadtblumen: London. The Strand.

8 Kommentare

  1. „Ist doch klar, dass man in einer solchen Stadt irgendwie anders werden muss. Sonst lutscht sie einen weg. Man wird darum wie der homo londoniensis.“
    Wie wahr, wie wahr!
    Bei mir ist sobald ich da bin der London-Modus auf ON:
    Mit Scheuklappenblick drängt man sich durch die überfüllten Gehsteige, Shops und Tube-Schächte, stopft sich mit dem erwähnten pseudo-gesundem und überteuertem Fraß voll (die obligatorischen Chips nicht zu vergessen, nur 9% Fett und sooooo gesund, wegen dem Sonnenblumenöl). Man trinkt mehr, feiert härter, shoppt zuviel, tickt einfach einen Zacken schneller. Die Schmerzgrenze beim Geld ist schon längst überschritten, von daher ist man schmerzfrei, der Cash-Point wird zum besten Freund. Hinter jeder Ecke eine neue Welt, ein neuer Eindruck. London ist aufregend, anregend… und irgendwann einfach nur noch anstrengend. Man wird dann wieder gern zum homo Monacium
    Aber was die Londoner Weibchen betrifft, die finde ich furchtbar hübsch. Müssen wohl alles ‚Zugeroaste’ sein…

  2. Nach über einem Jahr berufswechselbedingter Abwesenheit aus London (vorher war ich einer dieser relativ regelmäpigen FrühmorgensnachCityundabendswiederzurückFlieger) bestätigt mich dein Post in der Entscheidung über den Jahreswechsel mal ganz privat ein paar Tage in diesem Moloch von Stadt zu verbringen. Dieser Aufenthalt wird mich dann wieder daran erinnern, dass Frankfurt eine ausgesprochen lebenswerte Stadt ist. Das vergisst man ja manchmal.

  3. Ja, das ist London und auch ein ganz klein wenig Dublin und sicher noch mehr.
    Dennoch, im Winter, genauer im vorweihnachtlichen Lichterschnullischaufensterkitsch – da ist London ein ganz klein wenig unwiderstehlicher. Da hilft kein Frankfurt.

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