Gerne erspare ich Euch überflüssige Details zur Geburt. Da hat ohnehin jede ihr Päckchen zu tragen. Aber jedenfalls war die Geburt so „unbequem“ für alle Beteiligten, dass der kleine Herr allerlei Blockaden mit ins Leben brachte, vor allem in der Hals- und der Brustwirbelsäule. Hätte der Jungspund nicht bereits mit wenigen Wochen beeindruckend oft seine Stimmbänder überstrapaziert, hätten wir von den Blockaden vermutlich erst mal nichts gemerkt. Doch da die Umstände so waren wie sie waren, fanden wir uns schnell in osteopathischer Behandlung wieder. (Das scheint übrigens gerade total en vogue zu sein.) Die nette Osteopathin bemühte sich nach Kräften, die Blockaden zu lösen und dem kleinen Herrn und seiner leidgeprüften Mutter Linderung zu verschaffen, was aber nicht so recht gelingen wollte. Gerade die ersten Sitzungen gerieten so zur Zerreißprobe für alle anwesenden Nerven.
Weil es aber dennoch nicht (oder nicht schnell genug) half, versuchte der kleine Herr eben sich selbst zu helfen, indem er sich stets so hinlegte, wie es ihm am bequemsten erschien. Natürlich bemühten wir uns trickreich um das Umlagern, aber entweder, es gelang ihm, sich wieder in seine Lieblingsstellung zu wuseln oder aber er schlief schlicht und ergreifend gar nicht und ließ uns an seinem Unmut über die Situation teilhaben.
Mit der Zeit entwickelte er so eine rechts gelagerte Vorzugshaltung, die zum einen dazu führte, dass er mit der einen Hand immer ein Stück flinker war als mit der anderen, zum anderen aber auch dazu, dass sein rechter Hinterkopf im Laufe der Zeit platt gelegen war. Die (richtige!) Empfehlung, die Kinder wegen der SIDS-Gefahr auf dem Rücken schlafen zu lassen, bringt übrigens viele Plattköpfe hervor, aber bei den meisten verwächst sich das im Laufe der Zeit selbst wieder.
Was die Osteopathie beim Plattkopf des kleinen Herrn nicht allein zu richten vermochte, sollte in der nächsten Stufe durch die Physiotherapie wieder ins Lot gebracht werden. „Bobath“ hieß das Zauberwort der Stunde. Und zu meiner großen Freude hatte das viel mit Spielen und Spaß zu tun, was sich zumindest positiv auf die Stimmung des kleinen Herrn auswirkte. Aber so sehr wir uns auch anstrengten (ich lernte viele Übungen für den Hausgebrauch), ihn aus seiner Vorzugshaltung heraus zu locken und seine Synapsen besser zu verquicken, so wenig hinderte ihn das zunächst daran, in seiner Lieblingsstellung zu schlafen.
Als nun alle Bemühungen, die Symmetrie wieder herzustellen, nicht fruchten wollten und der kleine kleine Kopf zunehmend ein größerer (und schwererer) kleiner Kopf wurde, kam das erste mal eine Helmtherapie zur Sprache. Mein Mutterherz krampfte heftig bei dem Gedanken, dass mein wundervolles kleines Baby möglicherweise einen Helm tragen sollte, aber ich wollte mich auch nicht damit abfinden, dass die Asymmetrie immer schlimmer wurde und ich nichts wirklich wirksames dagegen tun konnte.
Also suchte ich den Helmdoktor auf (diese Leute sind übrigens nicht halb so leicht zu identifizieren, wie man sich das als Profi-Googler vorstellt, ohne den Tipp meiner Osteopathin wäre ich hier kaum weiter gekommen) und der fand dann per 3-D-Scan heraus, dass die Asymmetrie des kleinen Herrenköpfchens schon knapp zwei Zentimeter betrug. Für ihn eine klare Indikation pro-Helm. Und spätestens als ich seinen schriftlichen Befund las, in dem Worte wie „Gesichtsskoliose“, „Hirndruckzeichen“, „psychomotorische Retardierung“ und „chirurgische Intervention“ gehäuft vorkamen, krampfte das Mutterherz noch viel stärker als beim Gedanken an den Helm. Wenn sich das alles dadurch verhindern ließe, für ein paar Monate einen komischen Helm zu tragen, dann her mit dem Ding!
Aber so einfach, wie ich mir das vorstellte, ist die Sache mit dem Helm dann auch wieder nicht. Denn obwohl die Dinger nachweislich wirken, gehört die Helmtherapie bei den Krankenkassen nicht zum Standardprogramm. Und mit rund 2.000 € für Helm und die dazugehörige Anpassung und Kontrolle reicht die Kaffeekasse zur privaten Finanzierung leider auch nicht aus. Unser Krankenkasse (TK) zeigte jedoch ein verhältnismäßig schnelles Einsehen, nachdem man ihr Verordnung, 3-D-Scans und das Attest mit einem Ausblick auf die Folgeschäden zukommen liess. Wie ich aber aus dem Forum von Cranioform (Hersteller des Helms) weiß, ist das noch lange nicht der Normalfall. Glücklicherweise bekommt man in ebendiesem Forum aber ein paar gute Tipps, wie man auch nach erstmaliger Ablehnung am Ende doch noch eine Finanzierung der Helmtherapie bekommen kann.
Für Eltern von „Helmkindern“ ist das Cranioform-Forum so oder so ein echter Gewinn. Man gibt sich dort Tipps zur Helmreinigung (denn die Dinger riechen relativ schnell extrem unappetitlich), zur Helmkunst (kann man machen, muss man aber nicht) und zum Alltag mit Helm. Deutlich wird dort aber auch, dass viele Mütter wirklich unter dem Helm leiden – mehr als die Kinder, die das Ganze erstaunlich gut wegstecken. Die Leute gucken und das lässt sich auch nicht wirklich verhindern – ich würde auch gucken, wenn ich zum ersten Mal so ein Kind mit Helm sehen würde.
Vor rund vier Wochen haben wir also unseren Helm bekommen und der kleine Herr hat ihn sehr gut angenommen. Hin und wieder ruckelt er etwas daran herum – wahrscheinlich weil er unter dem Helm schwitzt – aber im Großen und Ganzen ist der Helm für ihn scheinbar kein Problem. Was gut ist, denn er muss ihn für insgesamt vier bis sechs Monate 23 Stunden am Tag tragen. Eine Stunde am Tag ist „helmfrei“, denn da werden Helm und Babykopf einer gründlichen Reinigung unterzogen. Schon nach „nur vier Wochen“ hat sich der kleine Kopf schon ganz erstaunlich verändert und wir sind gespannt, was die erste Messung nach zwei Monaten ergeben wird.
Dass man mit einem Helmkind stets mit schrägen Blicken und merkwürdigen Fragen rechnen muss, ist vermutlich klar. Erstaunlicherweise stört mich das kein bisschen. Im Gegenteil: Die Interpretationen der Leute amüsieren mich sehr. „Bist Du hingefallen?“ (= „Hat Deine Mutter etwa nicht aufgepasst, das ungeschickte Ding? Ob das Jugendamt das weiß?“), „Das ist für eine schöne Kopfform, oder?“ (= „Sie haben den Kleinen sicher im achten Monat holen lassen, um nicht fett zu werden. Und würden ihn auch unters Messer legen, wenn er nicht 100% perfekt wäre!“) und „Stößt er sich öfter den Kopf?“ (= „Immer diese übervorsichtigen Mütter. Die züchten doch die reinsten Weicheier heran.“).
Auch wenn wir erst seit einem Monat behelmt sind kann man die Verbesserung bereits mit bloßem Auge erkennen. Der kleine Herr wird den Helm maximal sechs Monate tragen, erinnern wird er sich später nicht daran. Wir sind jedoch ziemlich sicher, dass wir ihm durch den Helm einige unangenehme Spätfolgen ersparen konnten.
In der Krippe ist der kleine Herr inzwischen nur noch „unser kleiner Boxer“. Im Vergleich zu „Hosenscheißer“ und „Rotznäschen“ ist das doch ein ganz charmanter Spitzname, findet Ihr nicht?
Ui davon lese ich zum ersten Mal. Kenne zwar viele Babys mit verformten Köpfen, aber dass man das so behandeln kann wusste ich gar nicht.
Mühsam ist es sicher doch irgendwie, auch jetzt im nahenden Sommer. Aber das Wichtigste ist, dass es gut hilft. :)
Mich würde ja dennoch interessieren wie die Geburt verlief. ;)
Man behandelt sicher auch nicht jede Verformung gleich mit einer Helmtherapie, das wäre ein bisschen wie mir Kanonen auf Spatzen zu schießen. Aber wenn ein bestimmter Grenzwert überschritten ist (in unserem Fall 1,5 cm), dann ist das schon eine recht deutliche Indikation. Problematisch wird es halt, wenn das Gesichtsskelett betroffen ist, denn das kann später eine Menge Probleme machen. Aber die gute Nachricht ist ja: Wenn man das früh behandelt, bekommt man das wirklich sehr gut in den Griff.
Geburt: Das Gebären ist kein Ponyhof.
Dem kleinen Mann steht der Helm aber auch ausnehmend gut! Toll, was man heute alles tun kann. In einem Jahr lacht Ihr drüber :-)
Ausserdem: Luis ist jetzt im Krabbelalter und hat einen tollen Schutz gegen Beulen! Wie oft hebe ich meinen Luis vom Boden (Krabbel-Roll-Robb-Areal) hoch, weil er weint, wenn er schon wieder mal mit dem Köpfchen „gebremst“ hat :-) Das kann Euch nicht passieren!
Klasse, kleiner Luis! :-*
Vielen Dank! Ich glaube auch, dass wir in einem Jahr drüber lachen. Und Du hast absolut Recht, was die Schutzfunktion betrifft. Er ist gerade voller Tatendrang und wickelt sich dabei des Öfteren. Dank des Helms lacht er meistens darüber. Problematisch wird nur, ihm später klar zu machen, dass dasselbe ohne Helm böse weh tun kann ;)
Wow. Ok. Im ersten Moment bin ich auch erschrocken, als ich den Kleinen als Calimero sah. ;-) Aber klar, wenn er es gut weg steckt und damit Spätfolgen vermieden werden können ist das wahrscheinlich noch die angenehmste Variante. Abgesehen davon, dass er sich nicht daran wird erinnern können werdet ihr diese Zeit auch schnell verdrängen können. Alles Gute dabei!
Hallo
wir haben jetzt schon einen etwas „älteren“ Herrn ( 20 Monate). er kam mit einem Schiefhals uvm. auf die Welt und hatten jetzt seit 18 Monaten KG. Wie er 8 Monate alt war wurde er schon es erste mal gemessen wegen dem Helm da wurde uns gesagt das es mit 1 cm zu wenig wäre. aber im bericht stand dann das er eine ohrachsverschiebeung von 1,3 cm hat. das selbe gilt auch für die gesamte linke gesichtshälfte. links ist der kopf hinten abgeflacht und rechts ist dafür eine beule.
am Montag haben wir dann gesagt bekommen das es besser wäre wenn wir ihm doch einen helm anziehen würden weil evtl später viele probleme kommen wie z.B kiefergelenksarthrose usw.
Das heißt wenn er damals den helm bekommen hätte wäre es nach 6 Monaten vorbei gewesen. Jetzt darf er ihn für 2 – 2 1/2 Jahre anziehen. also bis er knapp 4- 4 1/2 Jahre alt ist.
und das schönste ist noch das in einem bericht stand: Wir gehen davon aus das die Tehrapie nicht gewünscht ist da die Eltern sich nciht mehr bei uns gemeldet haben.
Komisch für was hab ich ständig mit dem arzt telefoniert???????
Darf ich fragen, wo ihr den Helm machen lasst? Uns wurde gesagt, dass unser Sohn mit 18 Monaten schon zu alt wäre.
Das habe ich noch nie gehört, aber wenn es so gut hilft ist das eine gute Sache.
Bei mir war’s früher die Spreizhose, gegen Hüftschäden. Auch hier ist es vor allem für die Eltern lästig, die Kinder erinnern sich später nicht und es spart viele spätere Operationen. Und ich weiß von meiner Mutter, was diese OPs bedeuten. Sie ist im Krieg geboren, da hat keiner nach so „Kinkerlitzchen“ geschaut.
Wie gut, dass es heute solche Fortschritte gibt.
Dem Kleinen alles Gute – so kann ihm immerhin nicht der Himmel auf den Kopf fallen.
Tine
Da er inzwischen krabbelt und immer wieder versucht, auf eigenen Füßen zu stehen, war ich schon das ein oder andere Mal sehr froh über den Helm. Er fällt doch recht regelmäßig hin…
Meine Tochter ist von Beruf Hebamme. Sie freut sich über jede Mutter bzw. Eltern, die dieser Therapie zustimmen. Alle Kranken/Gesundheits-Kassen helfen bei der Finanzierung nicht. Mit Hartnäckigkeit erreicht man aber doch Zusagen. Nicht nachlassen beim immer wieder Nachfragen, schriftlich, telefonisch! Die Erfolge dieser Therapie sprechen für sich!
Hallo!
Mein Sohn hat vor 2 Tagen den Helm bekommen. Ben hat 1,4cm. Gott sei Dank hat bei uns die Krankenkasse gleich eingewilligt. Ich finde es eine echt große Belastung. Er möchte nur herum getragen werden und sobald ich Ihn ablege, fängt er ganz schlimm an zu weinen. Er tut mir schon sehr leid! Und er ist noch dazu eh so ein Kopfschwitzer. Der Schweiß läuft richtig aus dem Helm heraus und sein Body ist immer ganz feucht. Habt Ihr Tips für mich? Wäre sehr dankbar! Viele Grüße Sabine
Hallo Sabine,
der kleiner Herr hat den Helm tatsächlich mit Fassung getragen. Manchmal hat er versucht, ihn hochzuschieben, aber das war selten so. Geschwitzt hat er auch fürchterlich und wir haben ihm immer so wenig wie möglich angezogen. An den heißen Sommertagen haben wir den Helm dann einfach auch mal ausgezogen, denn da war an Einschlafen nicht zu denken. Sicher kann es nicht schaden, wenn Du zwischendurch mal kurz lüftest wenn er ganz arg schwitzt. Wir selbst haben es nicht immer so eng gesehen, aber im Zweifelsfall zieht das die Therapie unnötig in die Länge. Ist echt nicht einfach, aber Du wirst sehen: Es lohnt sich!
Liebe Grüße
Melanie
Hallo,
wir haben ein ehemaliges Helmkind (jetzt 4), bei dem die Therapie VIEL zu spät angefangen wurde, er war 9 Monate alt mit einer Schädelassymetrie von 3,0 cm! Übrig sind 0,5 cm, es hat sich also wirklich gelohnt!
Kind Nr. 2 (knapp 6 Monate) ist jetzt, trotz fleißiger Hin- und Herlagerung von Anfang an, auch platt, allerdings nur am Hinterkopf und lang nicht so stark wie der Große. Trotzdem wird in 2 Wochen ein Helm angepasst, diesmal wird nichts verbummelt haben wir uns vorgenommen!
Gibts hier vielleicht noch jemanden bei dem beide (bzw. mehrere) Kinder einen Helm gebraucht haben?
LG, Kathrin