Nach gut drei Wochen in Schweden ist heute der Zeitpunkt gekommen, Abschied zu nehmen. Wie immer, wenn Reisetag ist, planen wir früh loszukommen. Wie immer, ist früh bei uns ein durchaus dehnbarer Begriff und so sind wir kurz nach elf endlich auf der Piste. Das erste Mal in den gut drei Wochen, die wir nun hier sind, warnt uns Google Maps vor diversen Staus auf unserer Strecke nach Kopenhagen und wir kommen anfangs wirklich nur äußerst mühsam voran. Für geraume Zeit stehen 2 Stunden und 55 Minuten auf dem Display, obwohl wir fahren, fahren und fahren. Der erste Stau wird durch ein brennendes Auto verursacht, das offensichtlich einfach so Feuer gefangen hat. Dem war kein Unfall vorausgegangen und niemand wurde verletzt. Nur das Auto, das hat den Zwischenfall nicht überlebt.
Da wir kurz davor sind, das Land für eine Weile zu verlassen, müssen wir dringend noch diverse Lebensmittel einkaufen, die uns in der Zeit in Schweden lieb und teuer geworden sind. Um die Mittagspausenzeit steuern wir also einen Supermarkt an, und zwar nicht irgendeinen, sondern einen Maxi ICA, die Königin der schwedischen Supermärkte – soweit wir das beurteilen können. Der Laden ist riesig und hat alles, und zwar gleich in mehreren Varianten. Wir brauchen im Wesentlichen Butter („Bregott, normal gesalzen“) und Dammsugare, füllen unseren Wagen aber sicherheitshalber auch noch mit allerlei unwesentlichen Dingen. Das üppige Angebot macht uns das sehr leicht. Unser Mittagessen nehmen wir ganz stilecht auf dem Supermarkt-Parkplatz ein. Als wir wieder auf der Piste sind, haben sich sämtliche Staus in Wohlgefallen aufgelöst, was uns wohl sehr gefällt.
In Kopenhagen haben wir einen Stellplatz auf dem Fort Charlottenlund-Campingplatz, den wir in sprichwörtlich letzter Minute ergattern. Seit der Planung der Reiseroute Anfang Juni hatte ich immer wieder erfolglos versucht, dort einen Platz zu reservieren – nichts zu machen, ausgebucht. Am letzten Tag in Schweden versuche ich es spaßeshalber nochmals und siehe da – ein freier Platz! Wer braucht da schon einen Sechser im Lotto. Auch wenn Fort Charlottenlund-Camping nirgends Spitzenbewertungen erzielt, bekommt er unter den städtischen Campingplätzen noch die besten Bewertungen und ist wegen seiner besonderen Lage schon einen Besuch wert. Der Platz ist mitten in ein altes Fort gebaut, mit Kanonen, Bunkern und allem Schnickschnack. Von der Anlage selbst ist er wirklich besuchenswert, die sanitären Einrichtungen sind leider eher ein bisschen angeschmuddelt. Dafür gibt es an der Rezeption frisches Gebäck zum Frühstück, eine Eisbude direkt vor dem Eingang und ein Restaurant, das sogar richtig gut sein soll. Das alles, die direkte Lage am Meer und die gute Anbindung an die Innenstadt machen den Platz zu einer klaren Empfehlung.
Auch wenn wir am Ankunftsabend nur noch eine Runde durch das Hood drehen, um dies und das einzukaufen, bin ich von dem was ich sehe, doch gleich angetan. Es ist alles so adrett, so gut dekoriert, so geschmackvoll und so ganz ramschfrei. Ich mag das.
Für den nächsten Tag haben wir ein ausgeklügeltes Stadterschließungsprogramm ausgeklügelt. Wir haben schließlich nur den einen Tag und es gibt so viel Spannendes zu entdecken. Zunächst führt uns unsere kleine Stadttour mit Bus und Bahn nach Nørrebro, wo wir mit dem Superkilen Park beginnen – einer urbanen Parkanlage, die sich als echte Spielwiese für den großen Kleinen Herrn entpuppt. Weiter geht es durch die Jægersborggade, in der sich Café an Café (wir besuchen das Café Retro und kaufen Kaffee bei der Coffee Collective), Kunstgewerbeladen an Kunstgewerbeladen, Bonbon– an Keksmanufaktur und Hipster an Hipster reihen. Weiter geht es über den wunderschönen Assistens Kirkegård (Assistenzfriedhof), wo sich wiederum alles aneinanderreiht, was in Dänemark und darüber hinaus zu Lebzeiten Rang und Namen hatte. Hier liegen neben Schriftstellern, Opernsängern und Physikern auch Hans Christian Andersen und Søren Kierkegaard. Würden nicht hier und da beschriftete Steine herumstehen, man würde nicht merken, dass man über einen Friedhof lustwandelt. Als nächstes geht es über den Peblinge-See in Richtung Innenstadt.
In der Fahrradhauptstadt Europas gibt es Fahrradläden wie anderswo Apotheken und einer hat schönere Fahrräder als der andere. Die schönsten, so heißt es, gibt es jedoch bei Sögreni, weswegen wir gleich dort hinlaufen und aus dem Staunen nicht mehr herauskommen. Ein Fahrrad lassen wir uns dort dennoch (erstmal) nicht bauen, dafür sind der Mann und ich nun stolze Besitzer der coolsten Fahrradklingeln der Welt.
Nachdem der Shopping-Modus erstmal aktiviert ist, geht es gleich weiter zur Strædet, der hübschen kleinen Schwester von Kopenhagens Shopping-Meile Strøget. Hier gibt es Trödelläden und Kunsthandwerk, Restaurants, Cafés und Schmuckläden – alles klein und schnuckelig und man möchte überall hinein. Weil ich mich nun schon länger mit einer Vorliebe für skandinavisches Design herumschlage, die durch Pinterest noch ungleich fanatischer geworden ist, komme ich nicht umhin, als nächstes DEN Kopenhagener Einrichtungstempel, Illums Bolighus, aufzusuchen. Das ist der krasseste Einrichtungsladen, den ich überhaupt je gesehen habe. Nahezu alles, was ich auf Pinterest je gepinnt habe, steht hier plötzlich wie selbstverständlich vor mir und strahlt mich an. Mein erster Impuls ist „ich muss das alles kaufen“, der zweite ist jedoch nur wenig später „ich kann das nicht alles kaufen und entscheiden kann und will (!) ich mich auch nicht, also kaufe ich einfach gar nichts“. Und so stehe ich also mitten in meinem persönlichen Paradies und bin so dermaßen reizüberflutet, dass ich unverrichteter Dinge und völlig überfordert vom schieren Angebot wieder abziehen muss. So etwas ist mir wirklich noch nie passiert.
Noch immer unter Schock stehend, sammle ich den großartigen Rest der Familie wieder ein, der sich während meiner kleinen Shoppingrunde netterweise zum Essen zurückgezogen hat. Als nächstes führt uns unser kleiner Marsch an die Havnegade, weil es sich dort – sehr zur Freude des großen Kleinen Herrn, vortrefflich Trampolin springen lässt. Und auch sonst sind die Promenade und das Drum und Dran sehr hübsch anzusehen. Wir wechseln die Hafenseite und gerade zufällig aber glücklich mitten in den totalen Hipster-Hot-Spot der Stadt: Copenhagen StreetFood, eine große Halle mit Außenareal direkt am Hafen, wo es sich von diversen Foodtrucks trefflich futtern lässt. Hier ist die Hölle los, was sicher auch an den Bombenwetter liegt.
Eigentlich wollen wir nun doch die Fähre zur anderen Hafenseite nehmen, um der Kleinen Meerjungfrau unsere Aufwartung zu machen, aber wir verpassen die eine um zwei Sekunden und entscheiden uns, nicht auf die nächste zu warten – es ist schon spät, mindestens einer hat Hunger, mindestens zwei sind müde. Mit Bussen sind wir recht schnell wieder in unserem Hood, auch wenn wir uns um ein Haar verfahren, weil das Bussystem nicht so intuitiv ist, wie wir irrtümlich annahmen. Beim Pizzamann unseres Vertrauens holen wir uns noch schnell die erste gute Pizza der Reise und lassen uns dann nach insgesamt rund 25.000 Schritten vom prallen Vollmond noch schnell den Weg ins Bett scheinen. Godnat København, Du bist (m)ein Traum einer Stadt und hast mich damit schlichtweg aus den Schuhen gehauen. Tak.