Meine Nummer fünfzehn: Die schüchterne Helvetia
Am liebsten hält sie sich aus Allem raus. Sie mag es überhaupt nicht, im Mittelpunkt zu stehen. Im Tassenschrank versteckt sie sich immer ganz hinten in der Ecke. Besonders dann, wenn die Tür aufgeht und die anderen aufdringlicheren (dütschen!) Schrankbewohner sich vorne drängeln und bei jeder Öffnung aufs Neue betteln: „Nimm mich, ich will heute den Milchkaffee übernehmen.“ „Nein mich, ich liege viel besser in der Hand als dieser unförmige Kaffeepott.“ Nein, das käme ihr nicht in den Sinn. Davon mal abgesehen mag sie ohnehin nur Schümlikaffee, aber den gibt es in diesen Breiten ja so gut wie nie.
Selbstverständlich wird sie wider ihren Willen hier festgehalten. Ein deutscher Tassenschrank! Und das ihr, einer stolzen Eidgenössin! Das ist Freiheitsberaubung, Rufmord, kommte einer Kriegserklärung gleich! Die Schweizer Armee sollte einschreiten und sie hier raus holen…. Richtig in Rage reden kann sie sich, wenn sie einen schlechten Tag hat. Meistens schweigt sie aber.
Wie sie hier hin gekommen ist, weiss sie nicht mehr so genau. (Wäre das für eine Tasse nicht pietätslos – gerade im Hinblick auf das Schicksal ihrer eigenen Grosi väterlicherseits – , würde „bruchstückhaft“ ihre Erinnerung wohl am treffendsten beschreiben). Eines Tages riss man sie jedenfalls aus dem appenzeller Souvenirladenregal, in dem sie bis dato mit ihre Familie gelebt hatte. Man steckte sie in ein Säckli, dann wurde es noch dunkler. Schließlich kam der Monsun und das nächste, an das sie sich erinnern konnte war, wie sie völlig erschöpft in diesem Schrank aufwachte.
Das ist nun schon viele Monate her. Genügsam, wie sie als echte Schweizerin von Natur aus ist, hat sie sich inzwischen mit der Situation arrangiert. Was sollte sie auch dagegen tun? Aber wenn sie dann hin und wieder doch aus dem Schrank geholt wird und einer vielleicht sogar ein Gipfeli oder ein paar Guetsli neben ihr drapiert, dann fühlt sie sich ganz manchmal sogar fast wie zuhause.
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Finde ich toll, dass Du die Tasse ab und zu aus dem Schrank lässt. Eigentlich solltest du dies täglich tun denn als Gefangene hat sie das Recht auf regelmässige „Hofgänge“.
Ist sicher nicht leicht für sie so im Dunkeln und umzingelt von so vielen deutschen Mittassen. So muss sich unser Finanzminister fühlen wenn er sich mit Steinbrück trifft.
Grüss die Tasse von mir.
Adrian
Ei, ei, ei, eine stolze Eidgenossin hier in Deutschland gefangen zu halten, ist aber wirklich nicht gut für die momentan eh schon sehr angespannten Beziehungen zwischen der Schweiz und der BRD.
Liebe Grüße!
Liebs Schwizer Tassli: Du bisch nid allei! D‘ Rettig naht, es Befreiigskommando isch scho ungerwägs. Dürehautä isch d‘ Devisä!